Dieser Text entstand als Übung im Rahmen meines Schreibschul-Kurses zum Thema Konflikte. Ihm ging eine Charakterisierung und Backstory-Erarbeitung der am Konflikt beteiligten Charaktere voraus.
Das Klassenzimmer war bereits voll, Clara saß in der zweiten Reihe, den Blick auf ihr Heft gerichtet, während sie versuchte, die Stille in sich zu bewahren, bevor der Unterricht begann. Heute wollte sie ihre Hausaufgaben präsentieren, hatte sich die letzten Tage dafür viel Mühe gegeben. Die Schüler tuschelten, lachten leise, und der Lärmpegel stieg allmählich. Sie spürte die Unruhe im Raum, vor allem die von Arno, der wie immer am Fenster saß, laut redete und Witze machte, als ob er der Mittelpunkt der Klasse wäre. Als Herr Welk aus dem Materiallager der Biologie kam und am Pult Platz nahm, um seine Unterlagen durchzugehen, wurde es noch lauter.
Herr Welk wirkte konzentriert, aber sein Stirnrunzeln verriet, dass er die lauter werdenden Gespräche nicht ignorieren konnte.
Die Glocke läutete, und das vertraute metallische Echo hallte durch das Klassenzimmer. Sofort hörten die meisten Schüler auf zu sprechen und richteten ihre Aufmerksamkeit nach vorne. Doch Arno schien das nicht zu kümmern. Er lehnte sich mit verschränkten Armen zurück und redete weiter mit seinem Sitznachbarn, laut und ohne Rücksicht.
„Ja, man. Das Spiel ge- ge- gestern? War echt krass, wie d- die den E- E- Elfer verpatzt haben, ey“, sagte Arno, seine Stimme übertönte das sonstige Gemurmel im Raum. Einige Schüler kicherten, andere warfen ihm nervöse Blicke zu, während Herr Welk zögerte, was er tun sollte.
„Arno, könnten wir bitte anfangen?“, sagte Herr Welk schließlich mit ruhiger Stimme,.
Arno reagierte nicht sofort, grinste nur und fuhr fort. „U- Und hast du gesehen, wie der To- To- Torwart –“
„Arno!“ Herr Welk hob die Stimme leicht, doch es klang mehr nach einer Bitte als nach einer strengen Aufforderung. Clara meinte, Sorge in seinem Gesicht zu erkennen. „Wir haben mit dem Unterricht begonnen. Ich würde dich bitten, das Gespräch zu beenden.“
Arno drehte sich langsam um, seine Miene spöttisch. „Ach, Herr We- We- Welk, entspannen S- S- Sie sich doch mal. Ist doch noch nichts los. Wir re- reden doch nur.“
Ein paar Schüler lachten nervös. Clara fühlte, wie sich der Knoten in ihrem Magen enger zog. Sie konnte den hilflosen Blick von Herrn Welk spüren, auch wenn er versuchte, gelassen zu wirken. Seine Hände hielten die Kreide fester, als wäre sie ein Anker, an dem er sich festhalten musste, um nicht die Kontrolle zu verlieren.
„Es ist wichtig, dass wir jetzt anfangen“, sagte Herr Welk, doch seine Stimme klang brüchig. „Es bleibt nicht viel Zeit, und wir haben heute einiges durchzunehmen.“
Arno rollte mit den Augen und lehnte sich zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. „Ja, ja, alles k- klar. Fangen Sie halt an, wenn Sie me- me- meinen.“
Herr Welk zögerte. Es war offensichtlich, dass er sich unwohl fühlte, als würde er zwischen den Erwartungen der Klasse und seiner eigenen Unsicherheit feststecken.
Das Tuscheln begann erneut, diesmal noch lauter. Clara spürte, dass es nicht nur Arno war, der die Situation ausnutzte. Auch andere Schüler wurden mutiger, weil sie merkten, dass Herr Welk die Kontrolle zu verlieren drohte.
Schließlich konnte sie es nicht mehr ertragen. Sie wusste, dass jemand etwas sagen musste, sonst würde der Unterricht im Chaos versinken. Tief durchatmend hob sie den Kopf und drehte sich zu Arno um.
„Arno, hör auf“, sagte sie, ihre Stimme fest, aber ruhig. „Das reicht jetzt.“
Arno sah sie an, überrascht, dass Clara sich plötzlich einmischte. „W- W- Was? Willst du jetzt auch noch den Le- Lehrer spielen, oder was?“
„Es geht nicht darum, den Lehrer zu spielen“, erwiderte Clara ruhig, ohne ihre Stimme zu erheben. „Es geht darum, dass wir hier sind, um etwas zu lernen. Du kannst nach dem Unterricht über das Spiel reden, aber jetzt sollten wir uns auf den Unterricht konzentrieren.“
Arno schnaubte, doch Clara hielt seinem Blick stand. Sie spürte, dass sie die Aufmerksamkeit der ganzen Klasse hatte. Die anderen Schüler sahen zu, einige mit neugierigen Blicken, andere offensichtlich erleichtert, dass jemand die Situation endlich unter Kontrolle brachte. Einige klopften als Zeichen der Zustimmung mit ihrer Faust auf den Tisch und spendeten so Applaus.
„Was’los, Cl- Cl- Clara? B- Bist du jetzt Welks rechte Hand, oder w- w- was?“ Arnos Blick verriet Unsicherheit.
Clara ließ sich nicht beirren. „Es geht nicht um Herrn Welk, Arno. Es geht darum, dass wir alle hier sitzen und versuchen, etwas zu lernen. Und du störst uns alle.“
Für einen Moment herrschte Stille. Arno starrte sie an, als wollte er noch einmal kontern, aber dann zuckte er nur mit den Schultern und murmelte: „Ja, ist ja g- g- gut. Mann, kein Grund, so ein D- Drama d- draus zu machen.“
Herr Welk, der die ganze Zeit still gewesen war, atmete erleichtert aus. „Danke, Clara“, sagte er leise.
Clara nickte, ohne ihren Blick von Arno zu wenden. Sie wusste, dass die Sache noch nicht vorbei war, aber für den Moment hatte sie Ruhe geschaffen. Der Unterricht konnte beginnen.
Herr Welk wandte sich schließlich zur Tafel, und Clara ließ sich zurück in ihren Stuhl sinken. Die Spannung löste sich langsam, doch sie wusste, dass dies nicht das letzte Mal sein würde, dass sie eingreifen musste.