Violette Klingen (2) Kind der Wirrnis

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Dies ist ein Teil einer Fortsetzungsgeschichte in der Welt von Violet Fate. Hier geht es zum ersten Teil.

Mit einem Seufzen begann Arnon seine Ausführungen: “Ich hoffe, sie haben genug Zeit mitgebracht…

Geboren wurde ich in Dammstadt; relativ weit unten. Meine Mutter tauschte ihr Leben gegen meines – und dafür hasste mich mein Vater. Bis zu meinem sechsten Lebensjahr habe ich den Himmel nie gesehen. Sechs lange Jahre habe ich unsere Ebene nie verlassen – bis mein Vater und ich flohen.

Er war Tüftler in der Gilde – in erster Linie aber hoffnungsloser Trinker. Seine Hände zitterten, wenn er sie nicht um eine Flasche geschlungen hielt. Er war besessen von den metallenen Maschinen, die er baute, und von den vergorenen Träumen, die er in sich hinein goss. Aber Alkohol, Viol und komplexe, mechanische Arbeiten sind eine tickende Zeitbombe, wissen Sie?

Es hieß, er habe einen Koloss erschaffen, eine riesige Maschine, die für die Ernte in den Randgebieten von Dammstadt vorgesehen war. Doch sie geriet außer Kontrolle, trampelte die Felder nieder und zerstörte einen ganzen Distrikt, bevor sie endlich gestoppt werden konnte. Ein Versehen, ein unerwartetes Verhalten, beteuerte er. Aber die Gilde hatte kein Erbarmen. Er wusste, dass sie ihn zur Verantwortung ziehen würden – und die Konsequenzen wären tödlich.

So flohen wir. Mein Vater packte, was er tragen konnte, und ich erinnere mich daran, wie er hastig seine Pläne zusammenrollte und in eine lederne Mappe stopfte, bevor er mich ruppig an der Hand packte und wir durch die engen Gassen eilten. Die Nächte in Dammstadt waren kalt, und der Rauch der Fabriken hing schwer in der Luft, als wir durch die alten Wartungsschächte des Dammes in die Wirrnis verschwanden.

Die Wirrnis ist kein Ort, den man freiwillig betritt. Ein verworrener Wald, verseucht und verdorben von den Experimenten der Gilde, ungebändigtem Viol und unvorstellbaren Anomalien. Dort wuchsen Pflanzen mit metallenen Dornen, und die Bäume hatten ein unnatürliches, rostiges Glühen. Doch mein Vater schien einen Plan zu haben, auch wenn seine Schritte wankten und sein Atem schwer ging.

Wir stießen auf die Krähen nach nur wenigen Tagen des Wanderns. Sie lauerten uns auf, sprangen aus dem Unterholz, mit improvisierten Waffen in den Händen und einem hungrigen Blick in den Augen. Mein Vater sprach mit ihnen in einer rauen und unverständlichen Sprache, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Ich weiß nicht, was er ihnen versprach oder ob sie ihm vertrauten. Alles, woran ich mich erinnere, ist der Schmerz in meinem Magen, der Hunger, der mich immer mehr verzehrte, und das Murmeln diese Leute, das sich wie das Knirschen von Zahnrädern in meinem Kopf drehte.

Wir blieben bei ihnen, schliefen in Erdlöchern und aßen, was sie uns gaben. Es war kein Leben, das ich kannte, aber ich passte mich an. Mein Vater hingegen wurde schwächer. Sein Zittern wurde schlimmer, und oft fand ich ihn mit glasigem Blick auf die Pläne starren, die er aus Dammstadt mitgebracht hatte.

Eines Nachts wurden wir angegriffen. Die mutierten Tiere kamen aus den Schatten, groteske Kreaturen, verdreht und verstärkt durch die Verderbnis der Wirrnis. Sie griffen uns an, zerrissen Fleisch mit riesigen Klauen und zermalmten Knochen mit ihren stinkenden Mäulern. Die Krähen kämpften zurück, mein Vater war keine Hilfe, in seinem Zustand nur Ballast. Nach dem Kampf hatten sie kein Erbarmen: Ein Pfeil durchbohrte seine Brust, und er fiel mit einem erstickten Schrei.

Ich weiß nicht, warum sie mich verschonten. Vielleicht sahen sie in mir etwas Nützliches, oder vielleicht war es einfach Mitleid. Die Krähen nahmen mich mit, und ich wurde in der Tiefe der Wirrnis aufgezogen, unter dem Schatten eines gigantischen Pilzes, dessen metallene Schirme sich hoch in den verdorbenen Himmel erstreckten. Der Pilz war eine Festung, eine Stadt für sich, und die Krähen nannten ihn ihren Garten. Er gab ihnen Nahrung, Schutz und Macht – und in seinen warmen, pulsierenden Höhlen fand ich einen neuen Ort, den ich Zuhause nannte.”